2. Fachdialog

Dieser Fachdialog fand am 29. Jänner 2020 statt. Nachfolgend werden die Tagesordnungspunkte aufgelistet und zusammengefasst.

Foto Laborteströhrchen

Begrüßung

Hubert Culik (FCIO) und Thomas Jakl (BMK) eröffneten die Veranstaltung, wobei beide insbesondere die zunehmende Bedeutung der Grünen Chemie in der aktuellen Klimadebatte und die Notwendigkeit einer verstärkten Auseinandersetzung mit diesem Thema in Österreich betonten.

Hubert Culik, der den Fachverband als Mitgestalter sieht, verwies darauf, dass wesentliche Punkte der Grünen Chemie – wie Ressourcenschonung und -effizienz, Abfallvermeidung und -wiederverwertung, Kreisläufe, Kaskadenprinzip – schon seit den 80er Jahren diskutiert werden. Funktionale Lösungen aber scheiterten vor allem aus ökonomischen Gründen. Das Thema der Sicherheit in der chemischen Industrie wurde bereits ab Mitte der 1980er durch die Einführung von „responsible care“ verfolgt, wobei auch Umweltthemen berücksichtigt wurden.

„Vorstellung der künftigen Organisation des Fachdialoges und der Plattform Grüne Chemie“

Thomas Jakl sprach über die bisherigen Arbeiten im Bereich der Grünen Chemie und erinnerte an die im Zuge der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft durchgeführte Green Chemistry Conference 2018 und an den ersten Fachdialog Grüne Chemie 2019. Die aktuellen politischen Rahmenbedingungen des „Green Deal“ der EU-Kommission sowie die explizite Erwähnung der „Grünen Chemie“ im aktuellen Regierungsprogramm bilden wichtige Voraussetzungen für die weitere Arbeit in diesem Themenfeld.

Ein wesentliches Ergebnis des 1. Fachdialoges war der Wunsch nach Formalisierung und Institutionalisierung eines laufenden und vertiefenden Gedankenaustausches zum Thema Grüne Chemie. Diese soll in den verschiedenen Bereichen (Industrie, Verwaltung, Stakeholder, Bildung und Forschung) verstärkt umgesetzt und die Zivilgesellschaft in diesen Prozess eingebunden werden. Künftig wird die Diskussion in zwei Formaten stattfinden: Neben dem für einen möglichst breiten Kreis offenen, etwa halbjährlich stattfindenden Fachdialog Grüne Chemie, der im Rahmen des Risikodialogs des Umweltbundesamtes erfolgen wird, wird eine Plattform „Grüne Chemie“ eingerichtet. Hauptaufgaben dieses Gremiums aus 20-25 nominierten VertreterInnen aller Interessensgruppen soll die Umsetzung des nationalen Arbeitsprogrammes und der darin vorgesehenen Arbeitspakete zur Erreichung der – im 1. und 2. Fachdialog bereits formulierten – Ziele sein. Die Plattform soll als Beratungsgremium der Bundesministerin fungieren, sowie ein gemeinsames Auftreten, insbesondere im internationalen Kontext, sicherstellen.

Thomas Jakl verwies auch auf die aktuelle Substitutionsproblematik gefährlicher Stoffe und den dazu in den beiden folgenden Tagen stattfindenden Workshop. Für den Herbst ist ein von FCIO und CEFIC organisierter Workshop „Bootscamp Grüne Chemie“ mit John Warner geplant.

„Strukturierte Master- & Doktoratsprogramme in ‚Green Chemistry‘ – Ideensammlung und Vision“

Marko Mihovilovic (TU Wien) stellte als erster Vortragender des Tages die Ideensammlung, Visionen und Vorschläge zum Aufbau eines englischsprachigen Masterstudiengangs „Green Chemistry“ vor. Dieser Lehrgang soll interuniversitär an der Universität für Bodenkultur, der Technischen Universität Wien und der Universität Wien abgehalten werden. Ziel ist es, Absolvent:innen mit Fachkenntnissen zu sauberer, innovativer Technologie, zu Grüner Chemie und einer fundierten Auseinandersetzung mit der Frage nach Ressourcen und Nachhaltigkeit auszubilden. Der Konzeptvorschlag sieht den Aufbau eines Doktoratsprogrammes vor, dessen Studierende den Lehrbereich des neu geschaffenen Masterstudiengangs unterstützen können. Ein möglicher Start des Masterstudiums für 30 Personen wäre der Herbst 2022.

„Substitution von Chemikalien und Grüne Chemie“

In seinem Vortrag nahm Martin Wimmer (BMK) auf den in den Folgetagen stattfindenden Substitutionsworkshop Bezug. Der Ersatz von gefährlichen durch weniger gefährliche chemische Stoffe oder Prozesse ist seit Beschluss der REACH-Verordnung 2006 klar in der europäischen Chemiepolitik verankert. Einer Umfrage unter europäischen Chemieunternehmen zufolge ist die REACH Verordnung der wichtigste Treiber für Substitution in den Betrieben. Die ECHA unterstützt die Substitution in Unternehmen durch verschiedene Aktionen wie unter anderem nationale Workshops für Akteur:innen der Lieferkette und einen besseren Zugang zu Fördermitteln und technischer Unterstützung. Die durch REACH initiierte Substitution greift aber erst ein, wenn die Produktion einer Chemikalie bereits installiert und der Stoff auf den Markt gekommen ist. Die Idee der Grünen Chemie und ihrer 12 Prinzipien setzt beim Lebenszyklus einer Chemikalie deutlich früher an, nämlich bei der Stoff- und Produktentwicklung und beim Prozessdesign, und vermeidet dadurch spätere ökonomischen Kosten durch die Substitution.

„Optimierungsansatz zur effizienten Produktion von Biomaterialien/-chemikalien“

Bettina Muster vom Institut für nachhaltige Technologien (AEE INTEC) aus Gleisdorf in der Steiermark, stellte ihr Forschungsinstitut mit den Zielen der Entwicklung von erneuerbaren Energieformen und Ressourceneffizienz vor. Das außeruniversitäre Institut verfolgt in seinem Arbeitsschwerpunkt „Industrial Processes and Energy Systems“ unter anderem neue Technologien in der Bioraffinerie als wesentlichen Teilaspekt der Grünen Chemie. Dabei standen jüngst zwei Prozessoptimierungen im Mittelpunkt, das „Continuous Processing“, das im Gegensatz zum Batchverfahren einen kontinuierlichen Betrieb ermöglichen soll und die Membrantechnologie für eine energieeffiziente Auftrennung von Substanzen etwa aus der Lignocellulose-Raffination. Als Beispiel für einen kontinuierlichen Prozess wurde der „Oscillatory Flow Bioreactor“ vorgestellt, der zum Beispiel bei der enzymatischen Hydrolyse zur Herstellung von Zuckern aus fester Biomasse Anwendung findet.

„Das Kompetenzzentrum CHASE – Forschung für eine nachhaltige chemische Industrie“

Den Abschluss der Fachbeiträge machte Patrick Pammer, der das das neu gegründete Kompetenzzentrum „CHASE“ (Chemical Systems Engineering) vorstellte, welches sich im Eigentum der Johannes Kepler Universität, der Technischen Universität Wien der Upper Austrian Research GmbH und dem Verein der Firmenpartner befindet. Der Fokus dieser Einrichtung liegt in der chemischen Prozessindustrie und daher nimmt die Frage der Nachhaltigkeit im Sinne der Grünen Chemie eine zentrale Rolle ein. Wesentlich sind in diesem Zusammenhang neben dem Design der Produkte auch effiziente und stabile Prozesse, welche aktuell noch langsam und verlustreich verlaufen. Der Ansatz von CHASE zur Verbesserung der Situation zielt daher auf Prozessdigitalisierung, Prozessintensivierung und die Schaffung von Stoffkreisläufen ab.

Das Arbeitsprogramm Grüne Chemie (Vortrag, Diskussion und Workshop)

Nach dem Mittagessen stellte der Moderator die Ziele des Arbeitsprogrammes zur Diskussion und ersuchte die Teilnehmer:innen um Ergänzungen. Es wurden eine Reihe zusätzlicher Punkte eingebracht, wie etwa die explizite Berücksichtigung des primären Bildungssektors, berufsbegleitender Weiterbildungsmaßnahmen, einer klareren Beschreibung der „Nicht-Ziele“ oder fiskalischer Maßnahmen wie etwa steuerlicher Begünstigungen. Diese Aspekte konnten den bereits vorhandenen Zielen zugeordnet werden und werden bei der Überarbeitung des Arbeitsprogrammes berücksichtigt. Das Arbeitsprogramm wird nach der Aktualisierung wieder zur Verfügung gestellt.