Katalyse in nachhaltigen Synthesekonzepten und -technologien
'Grüne Chemie' in der grünen Steiermark
An der Universität Graz forschen zahlreiche Arbeitsgruppen aus unterschiedlichen Fachbereichen zum Thema 'Grüne Chemie'. Das große Verantwortungsbewusstsein der Uni Graz beim Thema Nachhaltigkeit, welche in der grünen Chemie eine zentrale Rolle spielt, zeigt sich an der Auswahl der Exzellenzfelder – zwei profilbildende Bereiche der Uni Graz nehmen sich dieser Thematik an: Climate Change Graz und BioHealth. Am Institut für Chemie hat sich unter anderem die Entwicklung von nachhaltigen Synthesekonzepten und Synthesetechnologien als Forschungsschwerpunkt etabliert.
Biokatalyse für eine grüne Synthesechemie
In der Arbeitsgruppe 'Biokatalytische Synthese' rund um den Chemiker Wolfgang Kroutil steht die Entwicklung innovativer Methoden zur nachhaltigen Herstellung von Chemikalien ausgehend von erneuerbaren Rohstoffen im Fokus. Die Verwendung von Enzymen als effiziente, biologische Katalysatoren bildet die Grundlage für eine ökologische und atom-effiziente Syntheseplanung. Der enorme Fortschritt im Bereich der molekularen Biologie und Biotechnologie ermöglicht heutzutage einen guten Zugang zu diesen leistungsfähigen Biokatalysatoren, welche Synthesewege im Vergleich zu traditionellen chemischen Verfahren oft signifikant verkürzen oder überhaupt erst möglich machen. Milde Reaktionsbedingungen, Wasser als Lösungsmittel und die Verwendung von erneuerbaren Rohstoffen sind weitere wichtige Aspekte bei der Entwicklung nachhaltiger Synthesekonzepte.
Zahlreiche nationale und internationale Kooperationen sowie die enge Zusammenarbeit mit acib – The Austrian Centre of Industrial Biotechnology – ermöglichen eine synergetische, interdisziplinäre Technologieentwicklung.
Förderung durch den Wissenschaftsfonds FWF (Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung) wie auch durch das europäische Forschungsrahmenprogramm Horizont 2020 ermöglicht die Entwicklung von visionären Konzepten und Technologien in grundlagenorientierten Projekten, wie z.B. in den Doktoratsprogrammen CATALOX, PhotoBioCat, und den EU-Projekten Biobased value Circle und CLASSY. Zahlreiche anwendungsorientierte Projekte werden von der FFG (Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft), acib, wie auch von namhaften nationalen und internationalen Industriepartnern gefördert.
Die folgenden Themen werden in der Arbeitsgruppe bearbeitet.
High-Throughput Biokatalyse
Die Suche nach einem geeigneten Biokatalysator mit einer gewünschten Eigenschaft wie z. B. Aktivität für eine bestimmte chemische Reaktion, Enantioselektivität usw. aus einer enormen Anzahl von möglichen Enzymkandidaten stellt oft das Nadelöhr in der Entwicklung eines enzymkatalysierten Prozesses dar. Automatisierte 'High-Throughput Screening' Methoden ermöglichen heutzutage die schnelle Analyse einer sehr großen Anzahl von Proben. Die Molekularbiologin und Biotechnologin Isabel Oroz-Guinea setzt in der AG Wolfgang Kroutil mit Unterstützung von BioHealth eine automatisierte, Roboter-basierte High-Throughput Plattform am Institut für Chemie der Uni Graz auf. Der modulare Aufbau dieser Plattform (Platteninkubator, Liquid Handling Roboter, UV/Vis und Fluoreszenz Mikrotiterplatten-Leser, Koloniedetektionsmodul, Zentrifuge) erlaubt größtmögliche Flexibilität im Design der Prozesse und ist dadurch für eine breiten Palette von Forschungsprojekten einsetzbar.
Nachhaltige Multi-Katalysator-Reaktionen
Die Kompatibilität unterschiedlicher Biokatalysatoren, besonders hinsichtlich der erforderlichen Reaktionsbedingungen, ermöglicht die gleichzeitige Verwendung von mehreren Enzymen in einem Reaktionsgefäß. Multi-Katalysator-Reaktionen, die unter anderem vom Chemiker Jörg Schrittwieser bearbeitet werden, tragen maßgeblich zur Ökologisierung und Ökonomisierung von Synthesestrategien bei, da eine zeit- und ressourcenaufwendige Reinigung von Zwischenprodukten sowie ungewünschte Nebenprodukte vermieden werden können und dadurch eine signifikante Effizienzsteigerung ermöglicht wird. Die redox-neutrale Umwandlung von Alkoholen zu Aminen, die Umsetzung von Phenolen zu Hydroxyphenylmilchsäurederivaten, die formale Vinylierung von Phenolen, und die Oxidation von Fettsäuren zu α-Ketosäuren sind nur einige Beispiele für Multi-Enzym-Reaktionen, die in der Arbeitsgruppe entwickelt wurden.
Ressourceneffizienter Aufbau des Kohlenstoffgerüstes via C-C Bindungsreaktionen
Die Verknüpfung von Kohlenstoffatomen, den universellen Bausteinen aller organischen Verbindungen auf unserem Planeten, nimmt eine zentrale Rolle in der Synthesechemie ein. Die Verlängerung von Molekülen kombiniert mit der Einführung funktioneller Gruppen ermöglicht die Synthese von komplexen Verbindungen, die häufig biologisch aktiv sind und in den unterschiedlichsten Bereichen der chemischen Industrie (Pharma-, Polymer-, Agro-, Feinchemie, etc.) zum Einsatz kommen. Die Bioorganikerin Silvia Glück untersucht in ihrer Forschung C-C-bindungsknüpfende Biokatalysatoren, um Kohlendioxid an organische Moleküle zu fixieren. Die Verwendung des Treibhausgases CO2 als alternative Kohlenstoffquelle (C1-Baustein) konnte sehr erfolgreich als nachhaltiges Synthesekonzept etabliert werden.
Ein Portfolio an weiteren Enzymen wird in der Arbeitsgruppe für C-C-Bindungsreaktionen eingesetzt: Acyltransferasen, Tyrosin-Phenol-Lyasen, Laccasen, Pictet–Spenglerasen, Berberine Bridge Enzyme, uvm.
Computerunterstützte nachhaltige Forschung
Die Verwendung und die Entwicklung von in silico Methoden ermöglicht es mit unserer Forschung am Puls der Zeit zu bleiben. Eine Reihe von nützlichen Online-Tools findet man auf der Homepage der Arbeitsgruppe: Online-Tools für Biokatalyse.
Licht als umweltfreundliches Reagenz – Photobiokatalyse
Unsere ständige Suche nach neuen Konzepten zur Verbesserung der Nachhaltigkeit in der Synthesechemie führte uns in den Bereich der Photo-Biokatalyse, einer der Forschungsschwerpunkte des Chemikers Christoph Winkler. Die Teilnahme am PhotoBioCat Projekt eines Horizont 2020 Förderprogrammes der EU ermöglicht dabei die Zusammenarbeit mit internationalen Expertinnen und Experten zur Entwicklung von nachhaltigen, licht-induzierten biokatalytischen Systemen.
Die Verwendung von Licht als 'Reagenz' anstelle von umweltschädlichen Chemikalien ermöglicht vor allem in der Redox-Chemie eine signifikante Ökologisierung der Synthesekonzepte. Die Kombination von Photo- und Biokatalyse vereinigt zwei umweltschonende Methoden – eine Veredelung der 'Grünen Chemie'. Sowohl die Verwendung von lichtaktiven Enzymen als auch das Zusammenspiel von licht-induzierten chemischen Reaktion mit Biokatalysatoren stehen dabei im Fokus. Die Entwicklung von Photoreaktoren stellt einen weiteren Forschungsaspekt dar.
Abbaubare Katalysatoren für Asymmetrische Synthesekonzepte
Besonders in der Pharmaindustrie, aber auch in vielen anderen Bereichen der Chemie (z.B. Aroma- und Duftstoffe) spielt die Stereochemie (Chiralität) – also die räumliche Anordnung von Atomen oder Atomgruppen – der Zielmoleküle eine zentrale Rolle, da diese oft maßgeblich die Eigenschaften (z.B. biologische Aktivität) eines Moleküls bestimmt. Enzyme sind aufgrund ihrer Fähigkeit chirale Zentren von Molekülen zu erkennen und Reaktionen stereoselektiv zu katalysieren, hervorragende Werkzeuge in der Entwicklung von asymmetrischen Synthesestrategien. Zentrale chirale Strukturelemente, wie z.B. sekundäre Alkohole, sekundäre Amine, chirale Sulfoxide uvm. können damit hergestellt werden, die in einer großen Anzahl von biologisch aktiven Molekülen ihre Anwendung finden. Vor allem Enzyme, deren Katalyse über Redox-Prozesse erfolgt, kommen dabei zum Einsatz (wie z.B. Alkoholdehydrogenasen, Transaminasen, Iminreduktasen, Alkohol-Oxidasen, uvm.).
Nachhaltige bioorganische Synthesechemie
Die Entwicklung von innovativen und nachhaltigen biokatalytischen Synthesekonzepten und deren Anwendung in der asymmetrischen Synthesechemie steht im Fokus der Forschung der Chemikerin Mélanie Hall und ihrem Team. Chemische Prozesse, wie Redoxprozesse, die ansonsten zusätzliche Reagenzien benötigen, werden hier durch fortgeschrittene Methoden der Katalyse in nachhaltige Umsetzungen verwandelt. Die Erforschung des Potentials der Natur im Hinblick auf effiziente katalytische Verfahren ermöglicht es ideale Biokatalysatoren für spezifische Anwendungen zu identifizieren. Moderne Methoden aus der Molekularbiologie werden - in Zusammenarbeit mit internationalen Fachexpert:innen - zur Entdeckung neuer Biokatalysatoren eingesetzt und umfassen unter anderem die Sequenzierung von Genomen, die Benützung von Protein(struktur)datenbanken und die Transkriptomik. In der Arbeitsgruppe werden z.B. Enreduktasen,Alkoholdehydrogenasen, Phosphatasen, Monooxygenasen und Lactamasen untersucht, mit dem Ziel, biologisch aktive Moleküle ressourcenschonend herzustellen.
Text von W. Kroutil, Juli 2021
Der Herausgeber der Website übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit dieser Informationen oder deren Bewertung.