Newsletter 1/2022

Fachdialog & Plattform: Austausch zur Grünen Chemie

Die internationale „Green Chemistry Conference“ 2018, die unter der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft stattfand, war der Auslöser für verstärkte nationalen Aktivitäten im Bereich der Grünen Chemie. Nach einem ersten Fachdialog im April 2019, wurde eine Diskussionsplattform zur regelmäßigen Vernetzung in Österreich geschaffen: Die „Plattform Grüne Chemie“.

Im Sinne des Green Deals der EU Kommission und der darin verankerten Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit, legt die Plattform den Fokus auf die Implementierung von Nachhaltigkeit in der Chemiewirtschaft.

Der Austausch unter den Stakeholder:innen findet auf nationaler Ebene vor allem in zwei Formaten statt: im „Fachdialog Grüne Chemie“ und in der „Plattform Grüne Chemie“. Beide Formate werden vom Umweltbundesamt koordiniert und betreut.

Grafische Darstellung aller bisherigen österreichischen Treffen zur Grünen Chemie
Österreichische Treffen zur Grünen Chemie

Die Plattform Grüne Chemie hat es sich zur Aufgabe gemacht, Projekte zu initiieren, zu unterstützen und voranzutreiben. Das von ihr entwickelte Arbeitsprogramm ist ein sehr dynamisches und unterstützt durch Zielmonitoring die Umsetzung der Arbeitspakete. Nicht zuletzt informiert und berät sie die Bundesministerin für Klimaschutz laufend über neue Entwicklungen zur Transformation des Chemiesektors.

Als Erfolg kann der Zusammenschluss von BOKU, TU Wien und Uni Wien zur gemeinsamen Einrichtung eines 2-jährigen Masterstudiums „Grüne Chemie“ genannt werden. Darüber hinaus ist erstmals eine einheitliche, nationale Definition der Grünen Chemie gelungen. Auch an den Kriterien für grüne/nachhaltige Chemikalien wird gearbeitet, um sie in weiterer Folge in regulatorische Vorgaben aufzunehmen.

Der Fachdialog als offenes, für die interessierte Öffentlichkeit zugängliches Format vernetzt Wissenschaft, Lehre, Verwaltung, Wirtschaft, Stakeholder:innen und Zivilgesellschaft. Er will einen Beitrag zu verantwortlichem und innovativem Handeln im Chemiebereich leisten. Ziel ist es, die Grüne Chemie als umfassenden, integrativen Lösungsansatz sichtbar zu machen

Der Fachdialog findet zweimal jährlich statt. Schwerpunktthemen der letzten Veranstaltungen waren „Biotechnologie und Grüne Chemie“ und „Bewertungsmethoden in der Grünen Chemie“.

Eine Nachlese über die Inhalte und Diskussionen der bisher stattgefundenen Fachdialoge finden Sie unter Fachdialog Grüne Chemie.

Neuer Masterstudiengang Green Chemistry

Initiative von TU Wien, Universität Wien und BOKU Wien

Mit Wintersemester 2022/23 steht Studierenden erstmals der Zugang zu einem Masterstudiengang Green Chemistry in Österreich offen. Das Besondere: Der interdisziplinäre Master wird von drei großen Universitäten Wiens gemeinsam angeboten: der Universität Wien, der Universität für Bodenkultur und der Technischen Universität Wien, allesamt vertreten in der Plattform Grüne Chemie. Jede der drei Universitäten verfügt über individuelle Forschungsschwerpunkte im Bereich der Grünen Chemie. Dadurch erhalten die Studierenden die einmalige Chance, sich breit und interdisziplinär ausbilden zu lassen, wobei ihnen ergänzend eine große Auswahl an Spezialisierungsmöglichkeiten geboten wird.

Das englischsprachige Studium (4 Semester, 120 ECTS) wird mit dem „Master of Science“ abgeschlossen. Für das Masterstudium werden im kommenden Studienjahr 50 Plätze über ein dreistufiges Aufnahmeverfahren vergeben.

Ziel des neuen Angebots ist es, eine international konkurrenzfähige, chemierelevante Ausbildung anzubieten, eine kritische Auseinandersetzung mit Ressourcen zu vermitteln, Studierende mit Technologiebewertung vertraut zu machen, und sie zu befähigen, Chemie im Sinne des Konzepts von „safe and sustainable by design“ verantwortungsvoll zu entwickeln. Die Forschung und Entwicklung nachhaltiger, sicherer und erneuerbarer Produkte, Energie und Technologien durch chemische und biochemische Prozesse im Sinne einer ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft bilden dabei besondere Schwerpunkte.

Informationen TU Wien

Informationen Universität Wien

Grüne Chemie als Lehrgang: Green Chemistry Change Manager

Der Green Deal der EU und die darin verankerte Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit sehen in „Green Chemistry“ einen zentralen Baustein für eine schadstofffreie und nachhaltige Zukunft. Sowohl kleinere Unternehmen als auch große Industriebetriebe stehen dadurch vor echten Herausforderungen und umfangreichen Chancen. Verstärkend wirkt, dass in den vergangenen Jahren weltweit zahlreiche Länder mit strengeren Rechtsvorschriften darauf abzielen, problematische Chemikalien möglichst zu ersetzen. Eine Harmonisierung der weltweiten Regularien für Chemikalien wird diskutiert, ist aber noch in weiter Ferne.

Eine der dringendsten Herausforderungen ist deshalb die Verfügbarkeit qualifizierter Mitarbeiter:innen, die das sich schnell verändernde regulatorische Umfeld von Chemikalien verstehen und im Auge behalten können. Weitsicht, ein umfassendes Verständnis der Lieferketten sowie der Komplexität der Auswirkungen von Chemikalien, sind von entscheidender Bedeutung. Aber auch dringende soziale Herausforderungen, wie die Gleichstellung der Geschlechter, sind mitzubedenken.

All diese Aufgaben effizient zu verstehen und zu bündeln ist das Ziel des „Green-Chemistry-Change-Manager“- Lehrgangs (GCCM). Dieser wurde als praxisorientierte Mitarbeiter:innenqualifizierung unter der Leitung des Bundesministeriums für Klimaschutz sowie des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort entwickelt, und wird im 2. Halbjahr 2022 starten.

Mehr Details zum Inhalt, genaue Termine, und weitere organisatorische Details finden Sie auf der Webseite zum Green Chemistry Change Manager.

Grüne Chemie und die Österreichische Kreislaufwirtschaftsstrategie

Die zunehmende Verknappung der begrenzten planetarischen Ressourcen zeigt die Grenzen des linearen Wirtschaftens auf und verdeutlicht die Notwendigkeit eines enschlossenen Handelns. Die Wandlung des derzeitigen linearen Wirtschaftsmodells (take-make-dispose) hin zu einer nachhaltigen und ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft erfordert das Engagement und die Mitwirkung aller Stellen und Institutionen, insbesondere auch die Bereitschaft der Bevölkerung zu einem nachhaltigen Konsumverhalten. Daher sind die Einbindung, Information und Aufklärung aller Akteur:innen sowie die enge Zusammenarbeit zwischen Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft wesentliche Faktoren einer erfolgreichen Umgestaltung hin zu einer Kreislaufwirtschaft.

Dieses Ziel ist auch ein wesentlicher Bestandteil des sog. „European Green Deals“, dem Maßnahmenpaket der EU-Kommission für einen nachhaltigen ökologischen Wandel. Ein wesentlicher Bestandteil, um dieses Ziel zu erreichen, ist der im März 2020 veröffentlichte Aktionsplan der Kreislaufwirtschaft. Die darin enthaltenen zentralen Themen sind nicht nur Abfallvermeidung und Recycling, sondern auch die nachhaltige Produktpolitik.

In der österreichischen Kreislaufwirtschaftsstrategie sind die Senkung des Materialverbrauchs, die Steigerung der Ressourcen- und der Energieeffizienz, der Ersatz von Primär- durch Sekundärrohstoffe, der Ersatz fossiler durch biogene Rohstoffe sowie eine weitestgehend klimaneutrale Produktion übergeordnete Ziele. Die notwendige massive Reduktion von Treibhausgasen wird zu 45 % nur durch Änderungen in der Herstellung von Grundstoffen und Sachgütern erreicht werden können. Die Kreislaufwirtschaft kann dazu beitragen, indem sie die Art und Weise wie wir Produkte herstellen, verwenden und rückführen, verändert*.

Folgende Transformationsschwerpunkte wurden als relevant für die österreichische Kreislaufwirtschaftsstrategie abgeleitet:

  • Bauwirtschaft und bauliche Infrastruktur
  • Mobilität
  • Abfallmanagement
  • Biomasse
  • Textilien und Bekleidung
  • Kunststoffe und Verpackungen
  • Elektro- und Elektronikgeräte

Darüber hinaus setzt die Kreislaufwirtschaftsstrategie auch konkrete Ziele. So soll unter anderem der jährliche inländische Ressourcenverbrauch von derzeit 19 Tonnen pro Kopf bis 2050 auf 7 Tonnen reduziert werden.

Schematische Darstellung des Wertschöpfungskreislaufs
Wertschöpfungskreislauf

Für die Grüne Chemie spielen die Aspekte der Kreislaufwirtschaft sowohl bei der Chemikaliensynthese, als auch bei der Verwendung von Chemikalien selbst eine Rolle. Die Definition der Grünen Chemie, die in einer Arbeitsgruppe der österreichischen Plattform Grüne Chemie erstellt worden ist, beinhaltet ausdrücklich die Zielvorgaben, Chemikalien im Kreislauf zu führen und Abfälle, wo sie nicht vermeidbar sind, weitest gehend wieder in den materiellen Produktionsprozess zurückzuführen.  In Bezug auf einen Stoff/eine Chemikalie sollte daher der gesamte Prozess vom Design und der Entwicklung eines neuen Stoffs über die Herstellung beziehungsweise Produktion, die Verarbeitung und die Verwendung bis zur Wiederverwendung und - nur falls unvermeidbar - auch die Entsorgung betrachtet werden.

Grafische Darstellung der 5 Säulen der Grünen Chemie
5 Säulen der Grünen Chemie

Die 12 Prinzipien der GC nach John Warner und Paul Anastas** können zu fünf Säulen zusammengefasst werden (s.o.)***. Die Säulen „Erneuerbare Rohstoffe“, „Effiziente Prozesse“ und „Abfallvermeidung“ sind die – in Bezug auf eine Kreislaufwirtschaft - relevanten Bereiche.

-Die Abfallvermeidung zielt nicht nur auf die Wiederverwendung von Stoffen selbst, sondern auch auf die Wiederverwendung von Komponenten und hohe Ausbeuten im Zuge der Synthese eines Stoffes ab (zum Beispiel Verwendung von Katalysatoren).

- Als erneuerbare Rohstoffe sind sowohl biogene Naturstoffe als auch sekundäre Rohstoffe anzusehen. Um die ausreichende Qualität eines Sekundärrohstoffs zu gewährleisten, sollten chemische Zusatzstoffe, die sich in Materialien befinden, eine möglichst geringe Konzentration bzw. ein möglichst geringes Gefährdungspotenzial aufweisen, um die Rezyklierfähigkeit nicht zu beeinträchtigen.

- Die Effizienz von Prozessen spielt sowohl im Zusammenhang mit chemischen Synthesen in Bezug auf den effizienten Einsatz von Rohstoffen (Atomökonomie, möglichst keine Abfallentstehung), als auch in Bezug auf den effizienten Einsatz von Energie eine wichtige Rolle in der Grünen Chemie und der Kreislaufwirtschaft.

 

*Ellen Macarthur Foundation, Completing the Picture: How the Circular Economy Tackles Climate Change, 2019.

**Anastas, P. T.; Warner, J. C. Green Chemistry: Theory and Practice, Oxford University Press: New York, 1998.

***M. Führ, J. Schenten,S.Kleihauer, Integrating "Green Chemistry" into the Regulatory Framework of European Chemicals Policy, sofia-Studien 19-2, Darmstadt 2019.