6. Fachdialog
Am 26. April fand der 6. Fachdialog „Grüne Chemie“ statt – passend zum Thema Digitalisierung und ihre erfolgreiche Anwendung in der Grünen Chemie auch dieses Mal im Onlineformat. Moderatorin Silvia Benda-Kahri, Fachliche Leitung für Dialog und Innovation im Umweltbundesamt, hieß die Teilnehmer:innen herzlich willkommen und stellte den Mitveranstalter „Dialog für den Wandel“ vor – eine weitere Initiative des Umweltbundesamtes für den Austausch von Wissen und Erfahrung.
Nachfolgend werden die Tagesordnungspunkte aufgelistet und zusammengefasst.
Begrüßung und aktuelle Entwicklungen
Thomas Jakl, Abteilungsleiter für Chemiepolitik und Biozide im BMK, begrüßte die Teilnehmer:innen und leitete zum Thema der Veranstaltung über: Der Fokus liege diesmal im Bereich der Digitalisierung, wie diese intelligenten Systeme als Zukunftsperspektive der chemischen Industrie implementiert werden und zur Entwicklung nachhaltiger Geschäftsmodelle beitragen können. Um vorhandenes Potential auszuschöpfen, solle sich die chemische Industrie diesem Bereich widmen, wie ein aktueller Report großer Consulting-Unternehmen unlängst festhielt. Ein praxisnahes Beispiel für die Herstellung eines Kühlmediums verdeutlichte dieses Potential: Mittels digitaler Datenerfassung (Algorithmen), einem digitalen Zwilling und einer Blockchain sei hier eine 30-prozentige Ressourcenschonung erreichbar.
"Advanced Digital Technologies für nachhaltige Geschäftsmodelle in der Chemiewirtschaft"
Im Anschluss eröffnete Stefanie Prenner die Fachvorträge mit „Advanced Digital Technologies für nachhaltige Geschäftsmodelle in der Chemiewirtschaft“. Für die anschließende Diskussion stand auchSabine Jung-Waclik(Brimatech) zur Verfügung.
Der Einsatz von Advanced Digital Technologies wird in verschiedenen Strategiepapieren sowie Publikationen von politischen Gremien und diversen Organisationen (z.B.: Europäische Kommission, OECD, Beratungsunternehmen) als „Enabler“ für einen Übergang zu einer nachhaltigen Chemiewirtschaft hervorgehoben. Auch die Schaffung und Unterstützung nachhaltiger, kollaborativer Geschäftsmodelle wie „Chemicals as a Service“ (CaaS) kann durch den Einsatz von Advanced Digital Technologies begünstigt werden.
Eine vom Bundesministerium für Klimaschutz (BMK) geförderte und vom Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) unterstützte Studie „Positionierung von CaaS im Technologieumfeld“ betrachtet die Verknüpfung von CaaS-Geschäftsmodellen mit digitalen Technologietrends genauer. Anhand von vielen konkreten Anwendungsfällen in 7 unterschiedlichen Technologiebereichen – Sensortechnologien, Automatisierung, Digitale Zwillinge, Künstliche Intelligenz, technologiegestützte Analytik, Verschlüsselung & Rückverfolgung sowie Mixed Reality – wird die Relevanz von Advanced Digital Technologies für die Implementierung von nachhaltigen Geschäftsmodellen aufgezeigt. Einige dieser Anwendungsfälle sind jedoch bei den dazu befragten Expert:innen noch nicht umfassend im Einsatz. Gründe dafür finden sich in den während der Studie identifizierten Barrieren, wie beispielsweise mangelnde Datenqualität, Bedenken bezüglich Datensicherheit oder fehlendes Wissen zu bestehenden Möglichkeiten. Deshalb bedarf es aus Sicht der Studienteilnehmer:innen unter anderem einer Vernetzung der Stakeholder aus den Bereichen Advanced Digital Technologies und Chemiewirtschaft sowie einer Nutzung bestehender Plattformen und Netzwerke zum Informationsaustausch. Eine erste persönliche Vernetzung von Stakeholder:innen aus beiden Bereichen wird bei der Veranstaltung „Advanced Digital Technologies für nachhaltige Geschäftsmodelle in der Chemiewirtschaft“ am 8. September von 15:00-18:00 in der Wirtschaftskammer, Wiedner Hauptstraße 63, ermöglicht.
Break-Out-Groups
Nach einer kurzen Diskussion zum ersten Vortrag wurden die Teilnehmer:innen in „Break-Out Groups“ verteilt. In diesen von Umweltbundesamt und BMK moderierten Kleingruppen, in welchen auch Gelegenheit für Vernetzung und Austausch war, wurden Erfahrungen der Teilnehmer:innen zu unterschiedlichen Aspekten der Digitalisierung in Ihren Bereichen diskutiert. Mit dem Ziel eine Orientierung zum Status der Umsetzung zu erhalten, sind die Moderator:innen auf folgende Frage eingegangen:
- Haben Sie schon Erfahrungen mit den angesprochenen Technologietrends? (z. B. Sensortechnologien, Automatisierung, Digitale Zwillinge, Künstliche Intelligenz, technologiegestützte Analytik, Verschlüsselung & Rückverfolgung sowie Mixed Reality).
- Wenn ja, welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Im Anschluss berichteten die Moderator:innen aus den Break-Out-Gruppen. Die Diskussionsthemen und Ergebnisse zeigten die gesamte Bandbreite des Themas: schon umgesetzte Anwendungen (in den Bereichen: Kläranlagen, Abfallmanagement, allgem. Prozessoptimierung, Anpassung von Chemikalienverbrauch, Energieeinsparungspotenziale) über zu wenig Kenntnisse bis zu den bestehenden Barrieren. Datensicherheit wurde ebenso angesprochen wie die Notwendigkeit guter Datenqualität und die wirtschaftliche Rentabilität. Es zeigte sich also, dass die Digitalisierung chemischer Prozesse bereits Interesse geweckt hat und langsam Einzug hält, es aber noch großes Potential hinsichtlich dieses Themas gibt.
„Digitale Ansätze für eine grüne Chemie: Prinzipien und Praxis“
Im Anschluss daran gaben Karin Kloiber und Julian Kager ihre Präsentation „Digitale Ansätze für eine Grüne Chemie“, in der sie die Prinzipien der Digitalisierung vorstellten und das Potential in einem praxisnahen Beispielverdeutlichten.
Die Präsentation ging dabei auf die speziellen Herausforderungen der chemischen Forschung und Entwicklung, der chemischen und pharmazeutischen Verfahrenstechnik und der Etablierung zirkulärer Prozessströme ein. Im Hinblick auf eine unterstützende Rolle digitaler Ansätze wurden im ersten Teil insbesondere verschiedene Implementierungsebenen von Digitalisierung beleuchtet und die Rolle der Modellbildung als Basis für eine Implementationsstrategie herausgestrichen. Im Anschluss wurden Projekte des Kompetenzzentrums Chase skizziert, die aufzeigten, wie die speziellen Herausforderungen durch digitale Ansätze konkret adressiert werden können, insbesondere durch eine Strategie für eine kontinuierliche Produktion, die Biologisierung der Chemie sowie die Verwertung von Abfallströmen (z.B. Schwarzlauge) in der Biotechnologie. Die Perspektive aus der Praxis zeigten Barrieren auf, die die Vortragenden im Anschluss zur Diskussion stellten.
„HolyGrail 2.0“ – Digital Watermarking
Nach der Beantwortung von Fragen zum Thema Datensicherheit, möglicher Reststoffverwertung und Reaktionszeiten, folgte der letzte Vortrag dieses Tages. Dieser stellte auch eine „Premiere“ dar: Herr Geert Van Ballaer, Leiter der Plattform für Strategien zur Kreislaufwirtschaft bei Borealis, gab den ersten internationalen Beitrag bei einem Fachdialog, mit dem Titel: The HolyGrail 2.0 initiative:
Das Konzept und die Bedeutung digitaler Wasserzeichen gelten als Wegbereiter für eine effizientere Kreislaufwirtschaft für Kunststoffverpackungen. In der HolyGrail 2.0 Initiative gibt es derzeit mehr als 170 Mitglieder, die daran arbeiten, das Potenzial des digitalen Wasserzeichens im Bereich der Kreislaufwirtschaft auszuschöpfen. Eine der größten Herausforderungen bei der Kreislaufführung von Kunststoffen ist das Sortieren der Verpackungen aus unterschiedlichen Kunststoffen. Erst dadurch wird effizientes und hochwertiges Recycling ermöglicht. Hier helfen „digitale Wasserzeichen“: Diese sind für den Menschen unsichtbare Codes in der Größe einer Briefmarke, welche die gesamte Oberfläche von Kunststoffverpackungen überziehen und Information über die genaue Zusammensetzung, Verwendung etc. liefern. Diese digitalen Wasserzeichen können von einer Abfallsortiermaschine gescannt werden und anhand der ausgelesenen Informationen können die künftigen Rohstoffe zu entsprechenden Produktströmen sortiert werden. Im Zuge der HolyGrail 2.0 Initiative wird derzeit an der Entwicklung einer solchen Sortiermaschine gearbeitet.
Auch hierzu gab es interessierte Fragen aus dem Auditorium. Diese betrafen unter anderem die Sensortechnologie, die Sortiermaschine und die Art der Wasserzeichen, welche als Struktur bzw. als Bild (für das menschliche Auge unsichtbar) an der Oberfläche angebracht sind und beim Recycling rückstandsfrei entfernt werden.
Abschluss der Veranstaltung und Ausblick
Abschließend bedankte sich Martin Wimmer, Ministerialrat in der Abteilung Chemiepolitik und Biozide im BMK, für die spannenden Beiträge und anregenden Diskussionen. Es stelle sich die Frage, wie rasch und in welchem Ausmaß die Digitalisierung in die Unternehmensprozesse integriert werden. Insgesamt wurde also deutlich, wie wichtig die neuen Technologien für die Kreislaufwirtschaft sowie die Grüne Chemie sind.
Abschließend informierte WIMMER über die Grüne Chemie Konferenz, die am 22. und 23. September anschließend zu den Chemikalientagen in der TU Wien stattfinden wird. Nachfolgend wird zur Information bzw. Anmeldung zur internationalen Konferenz verlinkt: A Green Chemical Deal